Massentourismus und Städtereisen: Was tun?

Billigflüge und Riesenkreuzer: der Ausverkauf der europäischen Städtedestinationen hat ein unüberschaubares Ausmaß erreicht. Mit Folgen.

Venedig will eine Eintrittsgebühr für die Lagunenstadt, Amsterdam erlaubt eine Privatzimmervermietung nur noch maximal für 30 Tage pro Jahr und Barcelona verbietet den Bau neuer Hotels im Stadtzentrum. Einzelfälle? Bei weitem nicht. Nicht nur Europas Metropolen und touristische Schmuckstücke werden durch eine Reisewelle erdrückt (2018 konnten die Top 20 Städteziele Europas mit mehr als 100 Millionen Besuchern aufwarten), sondern auf der ganzen Welt zeigen Städtereisen offen ihre Schattenseiten.

In Europa und Südostasien haben Billigfluglinien Kurztrips salonfähig und für beinahe alle erschwinglich gemacht. Letztes Jahr zählte man im Sommer über Europa rund 36.500 Flüge – pro Tag! Eurowings, RyanAir und EasyJet erhöhten die Anzahl möglicher Flugverbindungen wiederum um mehrere hundert Flüge. Der Wettbewerb um mehr Fluggäste läuft über das Angebot und die billigen Tickets. Mehr Beförderungen bedeutet aber auch mehr Belastung nicht nur in der Atmosphäre, sondern auch am Boden, wo die (touristische) Infrastruktur mithalten muss: das Bettenangebot, Gastronomie, Strände und Pisten, Freizeiteinrichtungen und -angebote.

Zugleich machen besonders im Sommer die immer beliebter werdenden Kreuzfahrten den Küstenstädten Europas zu schaffen. Palma, Dubrovnik und Co limitieren die Anzahl der gleichzeitig anlegenden Kreuzfahrtschiffe, um die Straßen der Innenstädte vor einer vollständigen Verstopfung durch Tagesgäste zu vermeiden. Es geht nicht mehr, sagen auch die Befürworter des Tourismus, die sich um das Image ihrer Städte sorgen. Moderne Schiffe dieser Klasse können mehrere Tausend Passagiere befördern und überschwemmen ihre Etappenziele mit einer wahren Flutwelle an Menschen. Zusätzlich benötigen diese Schiffe entsprechende Hafenanlagen, und die nahe gelegene Küste muss gegen die Wasserverdrängung besonders geschützt werden.

Am meisten zu spüren bekommen die Folgen die Bewohner der Städte. Mietpreise steigen oder Mietraum wird rar, ursprüngliche Straßen verkommen zu Unterhaltungsmeilen, Freizeiteinrichtungen sind wegen der hohen Popularität kaum mehr benutzbar, der Verkehr nimmt zu und die Seele einer Stadt wird zu einem kosmopolitischen Matsch internationaler Ketten. Nicht alle wollen das akzeptieren, der Preis des touristischen Ausverkaufs geht ihnen zu weit. „Tourist go home!„-Graffiti finden sich in Porto wie in Prag wie in Paris, öffentliche Demos weisen auf das Problem Massentourismus und Städtereisen hin. Manche lassen sich zu Protestaktionen wie Blockaden und Rauchgranaten hinreißen. Ist das die Zukunft des Städtetourismus?

Die frühe Formel „sanfter Tourismus statt Massentourismus“ galt als Antwort auf die Urlauberschwemme an den Küsten und in den Bergen.Großprojekte sind out, klein ist schön. Einiges wurde umgesetzt, dennoch finden sich an vielen Küstenabschnitten und in Bergregionen Beispiele für das ungehemmte Wachsen der Reisebranche. Diese Formel ist in Städtezentren nicht tragfähig. Dort gibt es schlichtweg kaum Platz für neue Großprojekte. Dafür schlägt der Puls der Tourismusmaschine in den Metropolen weitaus schneller. Rein-raus ist das Hauptmerkmal dieser Städtetrips, das kurze Erlebnis ist wichtiger als sich das Einlassen auf die Straßen der Stadt. Da fliegt man für den Junggesellenabend nach Bratislava, auf ein Konzert nach London oder für ein Fußballspiel nach Mailand. Und damit sind wir eigentlich am Kern des Problems angelangt: wir, die Reisenden. Wir müssen entscheiden, wir tragen die Verantwortung. Denken wir darüber nach, bevor wir den nächsten Flug buchen. Wollen wir das?

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